bnn (Pforzheimer Kurier) 19.07.2018 | Frank Seyen Redakteur

WIESLER FREUT SICH FÜR KERBER

Andre Wiesler konnte es am Samstag nicht schnell genug gehen. Der 35 Jahre alte Tennisspieler stand mit den Badenliga-Männern des TC Wolfsberg auf der Anlage des Karlsruher ETV auf dem Platz, parallel returnierte Angelique Kerber im Finale von Wimbledon. „Ich habe ihr Match nur noch vom zweiten Satz an gesehen“, sagt Wiesler, der, um die Spiele verfolgen zu können, zuvor extra noch ein Abonnement bei einem Bezahl-TV-Sender abgeschlossen hatte.

Längst eine Freundschaft entstanden

Die Beziehung zwischen Wiesler und Kerber, sie ist eine besondere. Kerbers Ex-Coach Benjamin Ebrahimzadeh fädelte 2014 den ersten Kontakt ein, als er Wiesler fragte, ob er es sich vorstellen könne, „ein paar Bälle mit Angelique zu schlagen. Das haben wir gemacht, ihr hat es offensichtlich Spaß bereitet“, berichtet der TCW-Akteur. Seitdem wurden etliche Volleys gespielt. Und während sich Kerber im Frühjahr 2015 von Ebrahimzadeh trennte, blieb der gebürtige Bad Nauheimer an der Seite der Weltklassespielerin. Längst ist eine Freundschaft entstanden. Mehrmals im Jahr bereitet Wiesler Kerber auf Turniere vor, ist an ihrer Seite – so geschehen zu Jahresbeginn in Indian Wells und zuletzt bei den Sandplatz-Vorbereitungen auf Mallorca. Der „Hitting Partner“, wie Wieslers Rolle auch genannt wird, hat dabei die Aufgabe, Bälle so zu spielen, wie es Trainer und Spielerin wünschen. Es soll fordern und fördern.

Wiesler spielt für den TC Wolfsberg

In Wimbledon war Wiesler nicht vor Ort. Durch seinen Vertrag beim TC Wolfsberg steht er in der Badenliga und Zweiten Liga in der Verantwortung, auch sein Job als Trainer in der Tennisschule „Davids Tennis World“, wo leistungssportorientierter Nachwuchs gefördert wird, nimmt Zeit in Anspruch. „Ich bin nicht immer konstant dabei, dieses Jahr haben Angelique und ich vielleicht vier bis fünf Wochen gemeinsam trainiert“, sagt der Hesse, der sich lieber im Hintergrund aufhält und Trubel um sein Wirken an der Seite Kerbers versucht zu vermeiden. Eine Eigenschaft, die das Duo eint, gilt doch auch die in Bremen geborene ehemalige Nummer eins der Welt eher als sachlich, demütig und zurückhaltend im mitunter schrillen Profizirkus.

Auf Rasen eine starke Spielerin

Dass Kerber am Samstag als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf 1996 das älteste und wichtigste Turnier gewinnen konnte, hat Wiesler nicht wirklich überrascht. „Sie hat alle Möglichkeiten, diese Leistung immer wieder abzurufen. Gerade auf Rasen ist sie eine starke Spielerin und man darf nicht vergessen, dass sie bereits vor zwei Jahren in Wimbledon im Finale stand“, sagt der ehemalige Weltranglisten-Spieler. „Sie war mental stark und hat das durchgezogen. Ich habe mich riesig für Angie gefreut.“ Seine Glückwünsche ließen nicht lange auf sich warten. „Wir stehen regelmäßig in Kontakt, ich habe ihr geschrieben und am selben Abend haben wir dann noch telefoniert“, verrät Wiesler.

Rechtshänderin führt Schläger mit links

Einen Grund für Kerbers Triumph sehen viele auch eng verbunden mit ihrem neuerlichen Trainerwechsel. Im November 2017 wurde das Ende der Zusammenarbeit mit Torben Beltz verkündet, seither arbeitet die Rechtshänderin, die den Schläger dennoch in der linken Hand hält, mit dem Belgier Wim Fissette zusammen. „Torben war auch ein guter Trainer. Aber im Lauf einer Karriere kommen Veränderungen auf einen zu. Der neue Input kam zum richtigen Zeitpunkt“, findet Wiesler, der momentan noch nicht weiß, wann er und Kerber wieder gemeinsam den Platz betreten werden.

Nächste gemeinsame Einheit fraglich

Die US-Open- und Australian-Open-Gewinnerin wird nach ihrem historischen Erfolg erst einmal eine Pause einlegen, in den kommenden Tagen stehen noch etliche Medien- und Marketingverpflichtungen an. „Die Planung wird nun erst einmal neu überarbeitet werden müssen, die Regeneration im Vordergrund stehen. Und dann geht die Hartplatz-Vorbereitung weiter“, so Wiesler, den derzeit eine Oberschenkelverletzung ein wenig ausbremst. „Ich muss erst wieder topfit sein“, betont er. Ansonsten sei durchaus denkbar, dass Kerber mit einem anderen „Hitting Partner“ die weitere Saisonvorbereitung bestreite.

Löst Triumph neuen Boom aus?

Ob vom Siegeszug der 30-Jährigen auf dem „heiligen Rasen“ auch die Tennis-Nachwuchsabteilungen Deutschlands profitieren werden, vermag Wiesler nicht einzuschätzen. „Ohne Tennis im Öffentlich-rechtlichen ist das alles nicht so einfach. Angie hat schon 2016 unglaubliche Leistungen vollbracht und einen kleinen Boom ausgelöst. Und selbst als es 2017 nicht so gut lief, war sie in meinen Augen eine Top-Sportlerin. Sie ist für den Tennissport in jedem Fall eine Bereicherung“, sagt der Spieler des TC Wolfsberg, der dort seit zwei Jahren zum Team gehört und beim Match in Karlsruhe in seinem Einzel und später im Doppel just zu jenem Zeitpunkt Siege feierte, als auch seine berühmte Trainingspartnerin dabei war, ein großes Stück deutsche Tennisgeschichte zu schreiben.